From a Distance


Was mir so in New York City widerfuhr – Aus dem Zyklus WER KOMMT MIR DA ENTGEGEN? —

Die Geschichte, die ich damals in New York schreiben wollte, begann mit der angedrohten Flutung Guatavitas. Dieses kolumbianische Dörflein sollte einem Stausee geopfert werden und darin versinken, um die nahe gelegene und rasch wachsende Hauptstadt Bogota weiterhin mit Strom und Wasser zu versorgen. In der Region aber war dem Vorhaben erheblicher Widerstand erwachsen. Gleichwohl fand dann die Flutung in den 60er Jahren des vorangegangenen Jahrhunderts statt. Ich wollte in meiner Erzählung nachzuzeichnen versuchen, was mit den Menschen, die sich anfänglich gegen die Flutung Guatavitas zur Wehr gesetzt hatten, alles geschah.

Als Protagonisten meiner Story erfand ich die unbescholtene Lehrerfamilie Sanchez.  Sie lebte dort mit drei heranwachsenden Kindern. Vater Ruben und Mutter Alicia unterrichteten an der örtlichen Volksschule. Ruben leitete überdies die Dorfmusik und an hohen Feiertagen auch noch den Kirchenchor, der allerdings mangels Sängerinnen und Sänger seinen Pflichten nur beschränkt nachkommen konnte. Tenöre zum Beispiel fehlten ganz.

Anlässlich einer Bürgerversammlung, an welcher der Stausee verhandelt wurde, hielt Ruben Sanchez mit ein paar kritischen Äusserungen nicht zurück. Er fragte in die Runde, was denn aus der Ortsansässigen werden soll, wenn das Wasser kommt. Die geplante Umsiedlung ans neue Ufer sei ja gut und recht aber für die Betroffenen unbezahlbar. Zudem verlören die Bauern ihre Existenzgrundlage. Statt Viehzucht sei dann wohl fischen angesagt.

Alle in der Versammlung lachten bitter und stimmten zu, darunter auch die oppositionell gesinnten Studenten aus Bogota, die bei solchen Diskussionen regelmässig vorbeischauten, denn sie waren interessiert am Aufbau einer revolutionären Zelle vor Ort, von wo aus sich der politische Kampf gegen dieses kapitalistische Vorhaben hätte entfalten können. Sie wollten den betroffenen Ortsbewohnern helfen und ihnen im Geiste des gerechten Widerstandes beistehen. Es ging immerhin um das Schicksal von ein paar hundert Betroffenen, deren Vertreibung aus ihren angestammten Behausungen bereits beschlossene Sache schien. Die Studierenden waren aber der Überzeugung, dass sich bei einer radikalen Opposition der Bau dieses Stausees vielleicht noch verhindern liesse. So kam es, dass  sie in diesem Ruben Sanchez und seiner Familie eine verlässliche und lokal gut verankerte Basis ausmachten für ihren Kampf gegen die da oben, diese korrupten Politiker, menschenverachtenden Investoren und willfährigen Beamten, gegen diese faschistischen Oligarchen, die sich in einer Allianz mit konservativen Kräfte nach und nach ganz Kolumbien unter den Nagel zu reissen versuchten, und denen auch gar nichts heilig war und schon gar nicht das Recht Einheimischer auf Selbstbestimmung, in ihrer Heimat verbleiben und ein friedliches Auskommen finden zu dürfen. Gegen diese Feinde musste jetzt gekämpft werden, und die Sanchez schienen über das erforderliche revolutionäre Potential dafür zu verfügen.

Mag sein, dass die älteste Tochter der Sanchez, Maria Elena, bei der Wahl der Studenten eine nicht zu unterschätzende Rolle spielte. Sie war gerade daran zu entdecken, dass die Welt nicht nur aus Menschen, Tieren, Pflanzen, Tag und Nacht bestand, sondern dass zum eigenen Vorteil da noch weitere Differenzierungen möglich waren. Insbesondere schienen ihr neuerdings die Jungs eine eigene Spezies zu sein. Es brauchte dazu einen lasziven Augenaufschlag, ein geheimnisvolles Lächeln und eine anmutige Drehung des Körpers, und schon begannen sie sich vor ihr aufzuführen wie Zirkusbären, welche beim Anblick einer Karrotte zu tanzen beginnen. Aber auch Celia Alicia, die jüngere Tochter, hatte bereits ein entzückendes Lächeln drauf, welches auf eine hohe Attraktivität schliessen liess, wenn dann in ein paar Jahren ihr Babyspeck abgearbeitet sein wird. Nur Pablo, der Junge in der Mitte, dürfte bei der Evaluation der Studenten keine allzu grosse Rolle gespielt haben, auch wenn ihm im Verlaufe der Geschichte, so hatte ich es wenigstens geplant, eine nicht zu unterschätzende Rolle zukommen sollte. Er hatte hundert Pickel im Gesicht, interessierte sich einzig für Fussball, war Fan von Real Santander, was niemand in der Familie verstand, und überdies ein eher mittelmässiger Schüler und Träumer. Er hätte viel darum gegeben, nicht bei Vater und Mutter in die Schule gehen zu müssen.

Zur Niederschrift dieser Story setzte ich mich nach New York City ab. Ich hatte bei der Zeitung, für die ich damals in der Schweiz arbeitete, unbezahlten Urlaub eingegeben und auch bewilligt bekommen. Über ein Inserat fand ich in Manhattan an der 84. Strasse East zwischen Lexington und Park Avenue eine leere Einzimmerwohnung. Sie gehörte einem senegalesischen Goldhändler, der aber zu seiner Freundin zog und froh war, dass ihm jemand für ein paar Monate die Miete zahlte. Bei Bloomingdale’s kaufte ich zwei geblümte Tassen, die mich entfernt an meine geliebte Tante Lotti erinnerten. Ein kleines Stück Heimat musste sein. Zuvor hatte ich mich in einem etwas billigeren Departmentstore mit einer Schaumstoff-Matratze, einem Set Leintücher, einem Wasserkocher und einem Paar Hausschuhe eingedeckt. Auf meiner Einkaufsliste standen noch Teebeutel, Abwaschmittel, Müsli, Milch, Shampoo, Salz, Pfeffer, Besteck, zwei Gläser und Teller. Und am Strassenrand fand ich Glückspilz eine Tischplatte mit ausklappbaren Beinen und einen Stuhl. Ich liess beides gerade mitlaufen. Ungeduldig freute ich mich schon darauf, den ersten Papierbogen in meine Hermes Baby einzuspannen, um die allmähliche Radikalisierung einer ganzen Dorfgemeinschaft festzuhalten. Die Radikalisierung provozierte aber auch einen Gegenbewegung, und ich wollte schildern, wie einzelne Einwohner den Dorfwiderstand verrieten und auf die in Aussicht gestellten neuen Behausungen am Ufer des geplanten Sees setzten: endlich würden sie dem täglichen Elend in ihren abbruchwürdigen Hütten mit den lecken Dächern eine Ende bereiten können. Natürlich brandmarkten die Studenten diese Abweichler als unsolidarisch, als Überläufer, als Feinde des wahren Volkswillens. Ihre Argumente nahmen Sanchez’ Gedanken auf, dass sie nämlich die in Aussicht gestellten Häuser nicht einfach so bekommen würden, sondern dafür zu bezahlen hätten und sich dadurch tief verschulden würden. Nicht einmal ihre Kindeskinder würden je imstande sein, sich aus diesen Schulden zu befreien, es sei denn, sie fänden unter ihrem Haus einen Goldschatz. Zum Leidwesen der Studenten stachelte diese ironisch gemeinte Bemerkung die begehrliche Fantasie der Abtrünnigen eher an, als dass sie die Absurdität dieser Hoffnung einsehbar gemacht hätte.

Meine Arbeit kam gut voran. Morgens nach dem Aufstehen rekapitulierte ich das am Vortag Geschriebene, ging es in einem Geschäft gegenüber kopieren und verfügte so immer über eine gesicherte Version. Ohne Verlustängste konnte ich darauf am Original Veränderungen vornehmen, schnitt es in Stücke und setzte es mit einem Klebstift neu zusammen, verwarf aber auch ganze Passagen und entsorgte sie in einer Plastiktüte, die mir als Papierkorb diente. Ich ernährte mich von Pizza und chinesischen Nudeln, alles um die Ecke erwerbbar, Früchte besorgte ich mir beim koreanischen Deli auf der anderen Strassenseite, und mittags machte ich ausgedehnte Streifzüge durch den winterlichen Central Park. Ich schaute den Bird Watchers zu, die selbst bei garstiger Kälte ihre Kamera auf den Futterplatz gerichtet hatten und fleissig knipsten, wenn wieder ein seltenes Gefieder heranstolzierte, sich seine Mahlzeit holte und darüber in Streit mit anderen hungrigen Vögeln geriet. Natürlich fiel mir auf, dass dort zwischen den Felsen und auf glitschigem Grund allerlei Männer herumschlichen, die ihresgleichen suchten, aber ich buchte es als Erfolg, mich davon nicht ablenken zu lassen und schön brav und mit durchfrorenen Zehen wieder den Heimweg anzutreten.

In Erinnerung bleiben mir auch unvergleichlich imposante und feuerrote Sonnenuntergänge, die sich tief in die Häuserschluchten hinunter zogen. Aber auch Schneestürme waren in New York ein bemerkenswertes Erlebnis, wenn Frostgraupel horizontal durch die Strassen jagte und wie Ohrfeigen meine Wangen traf. Starke Böen pfiffen so gemein um die Ecke, dass sie Strassenampeln aus der Verankerung zu reissen vermochten.

Es war Ende 1990 und Krieg lag in der Luft. Präsident Georges Bush drohte mit der Invasion von Irak, weil Kuwait von Saddam Hussein besetzt worden war. Die Lage spitzte sich von Tag zu Tag zu, und ich fühlte mich in meiner kleinen Bleibe als angehender Schriftsteller eins mit der Weltgeschichte, beschrieb ich doch zur selben Zeit die Eskalation des Konflikts zwischen den Staudamm-Befürwortern und den Gegnern. Letztere verliehen mit ihrem Bombenanschlag aufs Ministerium für Wasserkraft, Wald und Energie in Bogota meiner Geschichte eine dramatische Wendung. Zahlreiche Tote und Verletzte waren zu beklagen, und die Familie Sanchez geriet dabei in gefährliche Schieflage. Man konnte ihr zwar keine direkte Beteiligung am Anschlag nachweisen, aber sie gelangte gleichwohl ins Visier des Staatsschutzes, denn ihre Tochter Maria Elena arbeitete ganz offensichtlich mit den revolutionären Studenten zusammen, ja, sie war mittlerweile die Geliebte des Anführers dieser Gruppierung geworden. Dieser hiess Jaime. Der Verdacht lag also nahe, dass die Urheberschaft der Autobombe auf der Linie Sanchez-Studenten zu suchen war.

Jaime, Maria Elenas Liebhaber, stammte  aus einer alteingesessenen und angesehenen Advokatenfamilie von Bogota. Er hatte einige Jahre an der Universität Löwen in Belgien verbracht und sich dort politisch radikalisiert. Sein Vorbild war der Priester Camilo Torres Restrepo, der sich im Namen Gottes der Guerilla angeschlossen und vom Untergrund her versucht hatte, Kolumbien mit revolutionärem Gedankengut zu infiltrieren. Auch dieser hatte zuvor in Belgien studiert, starb aber 1966 in Santander im Kugelhagel eines Gefechts.

Je konsequenter Jaime versuchte, in seiner Heimat einen politischen Umschwung zu erwirken, umso harziger kam er mit seiner Doktorarbeit voran. Er verzichtete jetzt auf Gelatine in seinem ungestümen Haar und liess sich, zum grossen Ärger seines Vaters, einen Bart wachsen. Mit ein paar verschworenen studentischen Mitstreitern zeigte er offen Sympathien für die revolutionären Kräfte im Untergrund, mit der Guerilla also, die sich dem Umsturz in Kolumbien nach kubanischem Vorbild verschrieben hatte. Der Erfolg auf Kuba beflügelte Jaime in der Hoffnung, ähnliches könnte in absehbarer Zeit auch Kolumbien widerfahren.

Der blutige Bombenanschlag von Bogota war ein Fanal, eine Kampfansage. Die Studenten wurden von der Wirkung und den Konsequenzen ihrer Tat wohl selber am meisten überrascht. Alles wurde mit einem Mal so real, so brisant und so gefährlich. Panik löste unter ihnen die Tatsache aus, wie schnell der Verdacht auf sie selber fiel. Sie hatten erwartet, dass die Bombe zunächst einer Guerilla-Gruppierung im Untergrund in den Schuh geschoben würde, oder dass irgendwelche Drogenbarone in Verdacht geraten würden, die schon damals eine beachtliche Mafia bildeten und den ganzen Kokainhandel kontrollierten. Gerne machten sie sich mit Anschlägen auf sich aufmerksam, wenn sie sich im eigenem Terrain auf die Füsse getreten fühlten. Die wirklichen Urheber des Bombenattentats mussten also rasch handeln und hatten nicht einmal Zeit, sich im häuslichen Badezimmer noch mit einer Zahlbürste und dem Allernötigsten einzudecken, um fortan für eine Weile von der Bildfläche zu verschwinden. In Guatavita patroullierten bereits Soldaten und machten Personenkontrolle. Die Familie Sanchez als Unterschlupf fiel ausser Betracht, auch für Maria Elena war der Weg zurück ins Elternhaus verschlossen.

Im Schutze der hereinbrechenden Dunkelheit versteckten sie sich unter der Plane eines Lastwagens, dessen Fahrer sie mit reichlich Geld ausstatteten. Er hatte zu schweigen und an den zahlreichen Strassensperren die Diensttuenden zu bestechen – den Rest konnte er für sich behalten. Ziel war eines der vielen Verstecke der revolutionären Kräfte Kolumbiens im Cauca-Tal. Mit diesen kombatanten Revolutionären sympathisierten die Studenten schliesslich schon seit langem. Jetzt erhofften sie sich, von ihren Genossen im Untergrund aufgenommen zu werden. Das gut geschützte Camp befand sich etwa zehn Fahrstunden südwestlich von Bogota. Dort pflegten diese Guerilleros von Kaffeepflanzern und Bauern Schutzgelder zu erpressen und nannten sich dabei Volksbefreiungsarmee. Sie behaupteten von sich, sich um das Selbstbestimmungsrecht der Bevölkerung zu kümmern. Sie standen, so ihre Selbstdeklaration, für mehr Demokratie und gegen die kolumbianische zentralistische Klüngelwirtschaft ein.

Ein gesonderter Abschnitt meines Textes war dem Wesen eines Guerillero-Daseins gewidmet, soweit es sich mir aus Zeitungsreportagen, aus meinem Wissen um das Schicksal von Che Guevara und meiner Fantasie erschloss. Die Krieger befanden sich, so schrieb ich in meinem Manuskript, ständig auf langen Märschen. Sobald es brenzlig wurde, weil die reguläre Armee Kolumbiens mit Helikoptern und schwerem Geschütz wieder einmal Präsenz zu markieren versuchte oder entführte Personen, von denen Lösegeld gefordert wurde, befreien wollte, versteckten sich die Untergrundkämpfer einzeln oder in kleinen Gruppen in Gehöften und in unzugänglichen Seitentälern. Der Krieg war eigentlich ausschliesslich vom Geld getrieben, Geld, welches das Überleben sowohl der einen wie der anderen ermöglichte. In den meisten Fällen bezahlten ja die erpressten Familien, und es kam zu einer ordentlichen Übergabe an einem Strassenrand oder an einem Flusslauf ohne weiteren militärischen Aufwand. Manchmal klappte es aber nicht mit der Übergabe. Sei es, weil die Guerilleros plötzliche eine Falle witterten, oder sei es, weil die gestellte Frist bereits abgelaufen war und der Entführte darauf ermordet und zerstückelt wurde. Gerne wurden in solchen Fällen die langsam zermodernden und stark riechenden Gebeine Stück für Stück per Post der Trauerfamilie zugestellt. Und einmal soll, so meldete die kolumbianische Tageszeitung El Espectador, eine militärische Befreiungsaktion durchgeführt worden sein, obwohl zum Zeitpunkt der Aktion die vermeintlich gefangen gehaltene Person bereits wieder zu Hause bei ihren Lieben war. Die Betroffenen hatten es in ihrer Freude am Wiedersehen unterlassen, die Behörden davon zu unterrichten. Oft verheimlichen reiche Familien, dass sie für die Befreiung eines ihrer Familienmitglieder einen Millionenbetrag zur Verfügung stellten. Sie wollen nicht den öffentlichen Eindruck verstärken, dass es sich lohnen würde, bei ihnen etwas zu holen.

Kaum hatte ich diese Passage beeendet und schickte mich an, die abenteuerliche Fahrt der Studenten unter dieser Plane zu schildern, wurde ich gewahr, dass auch in New York City so etwas wie Kriegsstimmung um sich griff, eine Ausnahmesituation, bei welcher zwar alles noch gleich war wie vorher, sich aber plötzlich anders anfühlte und anhörte. Die Feuerwehr und die Ambulanz sonderten zwar immer noch abwechselnd ein röhrendes Geräusch und einen zwitschernden Sirenenton ab, und auch das Brummen der grossen Trucks, das Hupen der Taxis und das Rauschen der Subway-Schächte beherrschten nach wie vor den gewohnten Geräuschpegel der Metropole, doch es schien mir, als ob in diesem Stadtgeräusch ein paar Obertöne mehr mitschwingen würden angesichts des amerikanischen Truppenaufmarsches vor Kuwait. Eine bestimmte Erregung versetzte die Stadt in einen Ausnahmezustand. Jeder Passant verfolgte schliesslich die Vorgänge im Nahen Osten, und jeder bereitete sich in seiner eigenen Weise auf ein Amerika im Kriegszustand vor. Die Mobilisierung von Reservisten für die bevorstehende Kuwait-Befreiung war in aller Munde. An den besorgten Mienen der Passanten glaubte ich ablesen zu können, wer einen dieser Eingezogenen kannte und für diesen ein besonderes Stossgebet zum Himmel schickte.

Ich war von dieser schlagartigen Stimmungsänderung der Stadt fasziniert. Plötzlich sah ich mich selber als Zeitzeuge. Ich gestattete mir deshalb eine Auszeit von meinem kolumbianischen Guerilla-Krieg und schlenderte länger als üblich durch den Central Park und dann südwärts Richtung Downtown. Ich hatte vor, diese Atmosphäre auf mich wirken zu lassen und sie womöglich in meinem Tagebüchlein festzuhalten. Abends landete ich im Village und besuchte dort ein paar Bars. Besonders gefiel es mir im Monster, wo vom heraufziehenden Krieg nichts spürbar war. Die Gäste gruppierten sich um einen schmierigen Pianisten und intonierten sentimentale Songs aus alten Musicals. Dann schlenderte ich durch die Christopher Street und gelangte schliesslich zum 3-Potatos, einer zur fraglichen Zeit ziemlich leeren Bar, wo der Barkeeper noch Zeit fand, sich mit einem zu unterhalten und dies ausführlich auch tat, wenngleich ich sein texanisch gefärbtes Amerikanisch kaum verstand. Ich bestellte einen Gin Tonic, lehnte mich etwas gelangweilt an die Theke und summte zur Musik, die aus den Lautsprechern tönte. Auch in diesem Raum war keine Kriegsstimmung auszumachen. Doch Bette Midlers Balade From a Distance ertönte, es war der Hit der Saison. Der Song wirkte wie ein Gegenmittel zur Hektik des Alltags draussen und zu den angesagten Bedrohungen. Er strömte Gelassenheit aus: aus der Ferne zeigt sich die Erde blau und grün, und weiss glitzern die schneebedeckten Berge. Aus der Ferne verbinden sich Ozean und Strom, und der Adler hebt ab. Aus der Ferne scheint Harmonie zu herrschen, …we all have enough and no one  is in need and there are no guns no bombs and no disease no hungry mouths to feed…

Ich war etwas hin- und hergerissen, was die Moral dieses Songs angehen soll. War er ein Aufruf, aus schon fast buddhistischer Warte alles so hinzunehmen, wie es ist? Von einer gewissen Distanz aus sind weder Freund noch Feind mehr auszumachen, und es ist egal, ob wir einander die Köpfe einschlagen. Alles scheint friedlich, und Gott schaut auf uns hernieder mit Wohlgefallen? – Oder ist der Song vielmehr eine Aufforderung, sich von den Verstrickungen des Alltags etwas zu lösen, um sich im Sinne der Empathie aus der eigenen Frosch-Perspektive zu trennen und auch die andere Seite des Problems zu erkennen und dafür ein gewisses Verständnis aufzubringen?

Irgendwann löste sich eine langbeinige Gestalt von der anderen Seite des Raumes und lenkte ihre Schritte auf mich zu. Ob ich die Güte hätte, ihr einen Drink zu spenden, wurde ich gefragt. Ich heisse Steve, ergänzte die Gestalt ihre Anfrage. Der junge hochgewachsene Mann trug eine Brille, die ihm ein intellektuelles Aussehen verlieh, hatte eine Stupsnase und grosse Lippen. Er war von dunkler Hautfarbe, ausserordentlich schlank und bewegte sich elegant wie ein Tänzer.

My name is Nik, nice to meet you, antwortete ich.

Schon bald fragte er mich, ob ich denn eine Schwäche für African Americans hätte.

Nicht speziell, antwortete ich, sie würden mich nicht mehr interessieren als andere Menschen auch.

Na, dann bist du hier aber wirklich im falschen Nest gelandet meinte er darauf. Hier im 3-Potatos verkehren fast ausschliesslich Schwarze. Du hast jetzt die Wahl.

Ich blieb und bezahlte den von ihm gewünschten Martini, worauf wir unsere Unterhaltung in angeregter Weise fortsetzten. Der drohende Krieg um Kuwait interessierte ihn zwar kaum, dafür um so mehr meine Einstellung zu den Schwarzen. Ich fühlte mich einer Prüfung auf Herz und Nieren ausgesetzt, die ich offenbar, aus mir nicht genau bekannten Gründen, bestand. Nach gut einer Stunde schlug er vor, mit mir zu dinieren – auf meine Rechnung, wie sich später herausstellen sollte. Er meinte dazu, er komme aus einem wohlhabenden Elternhaus, seit dem Tode seiner Eltern aber hätten ihm seine Geschwister sämtliche Guthaben blockiert, weil ihnen seine Tätigkeiten als Volontär und Aktivist missfallen würden. Und dann zählte er auf, wo er überall aktiv sei: er helfe Gewerkschaften bei ihren Rallies für Lohnerhöhungen, bei AIDS-Kampagnen verteile er Kondome, und mit Tausend anderen sitze er protestierend in der Central Station, wenn die Regierung in Washington das Social Wellfare-Programm wieder einmal zu Gunsten des Militärbudgets hinunter zu fahren drohe.

Wenn du mir das Essen bezahlst, bemerkte er schmunzelnd, leistest du auch einen substantiellen Beitrag an die sozialen Bewegungen und die Wahrung der Menschenrechte in den USA. Du ermöglichst mir, auch weiterhin am Ball zu bleiben. – Später am Abend gingen wir zusammen zu mir nach Hause an die 84. Strasse und blieben noch lange wach.

Am nächsten Tag machte es nicht den Anschein, dass er meine Bleibe verlassen wollte. Er meinte vielmehr, er müsse von dort, wo er momentan untergebracht sei, ausziehen, weil er nicht mehr in der Lage sei, die Miete zu bezahlen. Ob er denn für eine Weile bei mir unterkommen dürfe.

Ich spürte deutlich die Gefahr, die von der Anfrage dieses schwarzen Engels ausging. Doch ich sass schon in der Falle, denn ich spürte auch meine eigene Bedürftigkeit, die durch diese eine Nacht angestachelt worden war. Damit wurde die zweite Stufe meines Engagements für die sozialen Bewegungen und Menschenrechte in den USA gezündet. Dass ich aber mit meiner Antwort Sekundenbruchteile zögerte, legte er in seiner unvergleichlich scharfen Art sofort als versteckten Rassismus aus. Also hatte ich über meine Zusicherung hinaus noch etwas gutzumachen.

Wir gingen unter Belastung meiner Kreditkarte zu Avis ein Auto holen, fuhren damit nach Queens, wo wir in irgendeine versteckte Strasse einbogen und vor einem herunter gekommenen Haus parkten. Studenten gingen ein und aus. Steves Sachen lagen im zweiten Stock bereits in Bündeln verschnürt auf dem Flur. Das Schloss zu seinem Zimmer war ausgewechselt, jemand Neuer eingezogen. Als wir zum Schluss dem Hauswart die Schlüssel zurückbrachten, störten wir ihn gerade beim Lunch.

Nicht einmal sauber gemacht habt ihr! giftete er uns entgegen. Die Toilette! Die Vorhänge! Der Fussboden! Der Staub! Und eure Kleider musste ich auch noch selber zusammenpacken. Dabei wisst ihr genau, dass ihr hier nicht zu zweit wohnen dürft!

Steve flüsterte mir unbeeindruckt zu: ein Rassist, während ich dem aufgebrachten Hauswart eingeschüchtert entgegenhielt, ich sei nur der Fahrer.

Aha, so ist das, meinte dieser prompt zu Steve, dann reicht es wohl auch noch zu einem kleinen Trinkgeld, wenn du dir schon einen Zügelmann leisten kannst. Er streckte uns seine hohle Hand entgegen. Steve schaute mich an, ich zückte das Portemonnaie und dankte mit zwanzig Dollars für Bemühungen und Spezialeinsatz.

Auf dem Rückweg bekam ich schon wieder Schelte: viel zu viel hätte ich diesem alten Sack gegeben, damit hätten wir uns gut und gerne einige Drinks im 3-Potatos genehmigen können, und für ein Briefchen Coke hätte es wohl auch gereicht.

In einer Mischung von Wut, mich plötzlich in dieser ungewollten Verstrickung zu befinden, und Neugier, was noch alles auf mich zukommen würde in diesem New York, lenkte ich das vollbepackte Auto zurück an die 84. Strasse. Für seine Kleider brauchten wir jetzt unbedingt einen Schrank. Grosszügig steuerte er Handtücher und eine weitere Decken aus seinem eigenen Hausrat bei.

Ich zwang mich in den folgenden Tagen, mir wenigstens in Gedanken und handschriftlichen Notizen auszumalen, wie sich die ersten Fluchttage von Maria Elena und den Studenten im Guerilla-Camp wohl abgespielt haben mochten. Nach einer endlosen Nacht auf der zugedeckten Brücke des Lasters und an unzähligen Checkpoints vorbei, die jedes Mal zu einer nervenaufreibenden Prozedur mit angehaltenem Atem und Bewegungslosigkeit wurde, setzte sie der Fahrer am nächsten Morgen im Nirgendwo einer Landstrasse ab. Jaime wusste, dass jetzt ein längerer Fussmarsch am Rande einer Kaffeeplantage vorbei und anschliessend durchs Dickicht in östlicher Richtung bevorstand. Dahinter sollten sie dann das Versteck des Guerilla-Camps erreichen. Auf drei Seiten war es vom Dschungel umgeben und stand in der Nähe eines Flüsschen. Dort konnte man das Geschirr reinigen, die Notdurft verrichten und den Körper pflegen. Rund ums Camp schoben Krieger in wilden Uniformen, bei denen nichts zusammen passen wollte, im vier-Stunden-Turnus Wache. Sie waren bereits auf dem Laufenden, dass Schutzsuchende im Anmarsch waren und untersuchten sie nach Waffen. Die Guerilleros waren grob und wiesen ihnen in knappem Befehlston ein Zelt in der Nähe des Exerzierplatzes zu, knallten ihnen Schlafmatten und persönliches Ess-Geschirr vor die Füsse, dann liessen sie sie alleine. Enttäuschung machte sich unter den Ankömmlingen breit, irgendwie hatten sie mit einem feierlicheren Empfang gerechnet, immerhin waren sie die Verantwortlichen für diesen Aufsehen erregenden Bombenanschlag auf ein kolumbianisches Ministerium.

Es dauerte drei Tage, bis sie zu einem Situationsgespräch ins Kommandozelt vorgelassen wurden. Sie hatten sich auf diese Begegnung gut vorbereitet, indem sie eine Mängelliste zusammenstellten: Keine Moskito-Netze, ungefiltertes Trinkwasser, Insekten überall, eintönige Küche ohne vitaminreiche Gemüse und Früchte, keine Ersatzwäsche, keine Seife, keine Zahnbürsten, keine Zahnpasta, kein Deo. Diese Anliegen wollten sie vortragen, allerdings immer verbunden mit dem aufrichtigen Dank, Schutz gefunden zu haben vor der Staatsmacht.

Die Antwort des Commandante kam wie aus dem Gewehr geschossen, noch bevor die Studenten zu den Einzelheiten ihrer Liste vorgedrungen waren: Hallo, ihr da. Wisst ihr zufälligerweise, wo ihr euch befindet?

Es folgte eine bedeutungsvolle Pause. Kommandorufe und Schritte im Gleichtakt drangen von draussen ins Zelt und liessen das angespannte Schweigen im stickigen Innern noch intensiver erscheinen.

Wir sind ein militärisches Camp und befinden uns im Krieg.

Wieder Schweigen. Er holte Luft.

Unser Auftrag ist die Befreiung Kolumbiens vom Joch der Oligarchie.

Schweigen.

Unser Auftrag verlangt nach Ordnung, klaren Befehlsstrukturen, Hierarchie, Regeln und Disziplin.

Schweigen.

Ihr aber seid Hergelaufene, die bei uns Schutz suchen und auch geniessen.

Schweigen. Der Ton wurde schärfer.

Es ist nicht an euch, sich bei uns zu beschweren. Verstanden?

Wieder Schweigen.

Wir sind nicht Hotel Mama und ich habe nicht die Absicht, euer Hotelier zu spielen.

Schweigen. Jetzt kam bei ihm Rage ins Spiel.

Es ist an uns, Forderungen an euch zu stellen. Ihr müsst schiessen lernen und euer Land befreien helfen. Damit Basta!

Jetzt stand der Commandante auf und man sah, dass er klein war und O-Beine hatte. Er stank nach abgestandenem, beissendem Schweiss.

Ihr gewöhnt euch gefälligst an die Usanzen in unserem Camp, brüllte er. Und das heisst: gehorchen und ausführen, was ich befehle! Im Namen der revolutionären Befreiung Kolumbiens, viva!

Er rief die Wache und erklärte die Audienz für beendet. Auf dem Weg hinaus meinte er noch, mit der Bombe in Bogota hätten die Studenten noch nicht sehr viel bewirkt, im Gegenteil. Sie hätten sich vielmehr durch ihr stümperhaftes Vorgehen in grosse Gefahr begeben, die jetzt auch auf diesem Camp laste. Wer weiss, vielleicht ist schon überall bekannt, dass sie sich hier aufhalten würden. Also Mund halten und froh sein, überhaupt Unterschlupf geboten zu bekommen.

Der Adjutant wurde vom Commandante beauftragt, die Gruppe am Nachmittag in ihr erstes Training an den Waffen einzuweisen.

Und dann sagte der Commandante noch: Das Mädchen bleibt hier! Und er fügte maliziös hinzu: Sie bekommt von mir eine persönliche Einführung in Waffentechnik! Mit einer Handbewegung schickte er sie ins Zeltinnere zurück.

Jaime reagierte sofort: Commandante! Das Mädchen ist Teil unserer Gruppe.

Eben darum, meinte darauf der Commandante. Die Frauen geniessen meinen besonderen Schutz.

Lassen Sie sie laufen. Bitte!

Jaime rief laut, so dass ihn Maria Elena im Zeltinnern hören konnte: Bitte, komm mit uns, Maria querida!

Und sie bleibt da, drötete der Commandante!

Lassen Sie das Mädchen in Ruhe! Sie ist meine Braut, kam es aus Jaimes Innersten.

Der Commandante schnippisch: Wenn du willst, du Held, kannst du uns ja bei meinem Waffen- Training zuschauen.

Jetzt wurde Jaime schwindlich und drohte auf den heissen Sandplatz zu fallen.

Wache! rief der Commandante darauf und zeigte auf den wankenden Jaime, der sich im Delirium umgedreht hatte und versuchte, beim Stürzen den Commandante noch zu packen. Die zwei Guerilleros, die vor dem Kommandozelt Wache schoben, nahmen Jaime sofort grob am Arm und stiessen mit den Knien in seinen Lenden, so dass dieser brüllend zusammensackte. Dann warteten sie auf weitere Anweisungen.

Vom Zeltinnern her hörte man verzweifeltes Wimmern und Schluchzen.

Abführen! – Das war die letzte Anweisung des Commandante, bevor er sich händereibend ins Innere seines Zeltes begab und Maria Elena der angekündigten Spezialbehandlung unterzog. Nichts half den Studenten. Jaime wurde von den zwei starken Männern ausser Sichtweise der Studenten geschleppt. Er stöhnte und lärmte dabei wie ein getroffener Löwe. Irgendwann erstarben seine Laute, Schläge aber waren noch eine ganze Weile weiter zu vernehmen.

Unter den auf dem staubigen Platz Zurückgebliebenen verbreitete sich lähmende Ratlosigkeit und stummes Entsetzen. Jeder für sich fing an, die Bedeutung dessen, was sich soeben vor ihren Augen abgespielt hatte, zu ermessen. Den einen schien die Einsicht wie Schuppen von den Augen zu fallen, bei ihrem Bombenabenteuer etwas gar naiv vorgegangen zu sein. Reumütig sahen sie ihre Anwesenheit hier als harte aber offenbar notwendige und darum gerechte Strafe. Andere wiederum beschlich blankes Grauen angesichts der Perspektive, hier noch längere Zeit ausharren zu müssen mit all den damit verbundenen Entbehrungen, Umgangsformen und Gefahren. Und was mag jetzt mit Maria Helena geschehen? Vom Zelt des Commandante drang kein Ton mehr nach draussen, auch wenn allen klar war, dass sich dieser stinkige Militär genau zu diesem Zeitpunkt an ihr vergreifen, sie quälen, demütigen und mundtot machen würde, und sei es nur, um den anderen und insbesondere Jaime eine Lektion zu erteilen.

Am Nachmittag desselben Tages, nach einer weiteren, von Appetitlosigkeit geprägten und kaum geniessbaren Mahlzeit mit verkochtem Reis und schwarzen Bohnen und in Abwesenheit von Maria Helena und Jaime, war das erste Training an den Waffen angesagt. Die Studenten mussten sich dazu unter Anführung des Adjutanten, der ebenso ätzend roch wie sein Chef aber wesentlich grösser war als dieser, erst einen Weg durch den Dschungel schlagen, befanden sich doch das Waffenlager und das Feld für Gefechtsübungen eine Wegstrecke vom Camp entfernt. Pedro, einer der Studenten, versuchte die gedrückte Stimmung auf dem Fussmarsch mit einer halbwegs witzigen Bemerkung zu brechen. Ich glaube, sagte er, ich wüsste jetzt, wo wir unsere Bombe auch noch hätten zünden können.

Da verlangsamte der Adjutant, auf dessen Kampfweste der Name Aldo Ramirez eingestickt war, seine Schritte. Er blieb demonstrativ stehen und senkte ganz langsam seine Machete zu Boden, mit der er vorher noch behend Äste aus dem Weg haute. Er wendete sich nach hinten und fixierte Pedro. Wie in einer Zeitlupe griff zu seiner Pistole, löste diese aus der Halterung und entsicherte sie hörbar. Die Gruppe erstarrte.

Ich habe den Befehl, hob Aldo Ramirez an, und man konnte an seiner Sprechweise erkennen, dass er aus Medellin stammte, dass ich jede Art von Bemerkungen sofort zum Schweigen zu bringen habe – ihr intellektuellen Arschlöcher.

Er zog die Rotze in seiner Nase hoch und spuckte sie Pedro vor die Füsse. Gleichzeitig zielte er mit seiner Pistole auf den Witzbold. Im Busch hörte man das intensive Grillengezirpe, man hörte das Bächlein rauschen, man hörte von weit her Stimmen, man hörte einen knatternden Motor. Man war versteinert. Kein Mucks, von niemandem. Trotz brütender Hitze an diesem Nachmittag rann über die Rücken der Studenten eiskalter Schauer des Schreckens . – Es dauerte eine Ewigkeit, bis Aldo Ramirez seine bedrohliche Haltung löste und damit den Studenten Gelegenheit gab, sich ein bisschen aus der Erstarrung zu lösen. Sie trugen immer noch zivile Kleider, einzig an den ausgetragenen, beigebraunfarbenen Schnürstiefeln, deren Sohlen sich schon halbwegs lösten, waren sie als Angehörige eines Kampfverbandes erkennbar. Der Adjutant steckte jetzt seine Pistole in die Halfterung zurück und hiess die Gruppe mit einem knappen Vamonos, Gehen wir zu ihrem ersten Waffentraining weiter marschieren.

In Gesellschaft von Steve wurden meine Tage und Nächte in New York kurzweiliger als zuvor, allerdings auf Kosten meines kolumbianischen Guerilla-Kampfes, der sich in der Hitze meiner Gefechte mit Steve immer schleppender dahinzog. Ich vergass allmählich, wie es mit der hübschen aber todunglücklichen Maria Helena überhaupt weitergehen soll, und ich war ratlos, wann Jaime erschossen werden sollte – jetzt oder doch erst etwas später? Wichtig war mir lediglich, dass Maria Helena, nunmehr seit Monaten Zwangsgeliebte des Commandante, lange nichts von Jaimes Tod erfahren durfte und ihm noch Monate nach dessen Tod heimliche Billette schrieb. Die eingerollten Zettelchen wurden, sobald  sie ein angeblicher Vertrauensmann aus dem Zelt geschmuggelt hatte, abgefangen und in einer geheimen Kladde des Commandante aufbewahrt.

Die Lektüre der von Verzweiflung und Sehnsucht durchtränkten Liebesbriefchen Maria Elenas an Jaime machte den Chef rasend, und beim nächsten individuellen Waffentraining stürzte er dann nur noch heftiger auf sie und bestrafte sie noch leidenschaftlicher wegen ihrer Sehnsucht nach ihrem angeblich verschollenen Freund. Der Commandante sparte aber die Mitteilung, dass Jaime längst schon tot war, für einen besonderen Augenblick seiner Rache und Wut auf, denn er begehrte sie ja und empfand Liebe für sie, so wie ein Guerillero im Kampfeinsatz und vor Augen seines ganzen Kampfverbandes ein Mädchen eben lieben konnte: kompromisslos und besitzergreifend, grob und verzweifelt.

Ich glaube, ich wollte es zu zahlreichen Gefechten kommen lassen in der Zeit, in welcher sich die Studenten allmählich in ihr Schicksal als Guerilleros fügen mussten. Sie erwiesen sich aber als nicht sehr kampfestauglich und gaben eine eher erbärmliche Figur ab, obwohl ihnen allen jetzt der Bart spross und sie mit ihren ungebändigten Haaren und einer von der Sonne versengten Haut langsam martialisch aussahen. Ja, sie begannen jetzt nach Schweiss zu stinken so wie alle anderen auch. Doch mit der Waffe konnten sie gleichwohl nicht umgehen. Der eine zum Beispiel, Juan, vormals Soziologiestudent im 12. Semester, verletzte sich bei einem Schusswechsel am eigenen Schlüsselbein, weil er seine Waffe nicht kräftig genug an seinem Leib angeschlagen hatte. Der Rückstoss bei der Schussabgabe drückte ihm den ganzen Brustkorb ein. Ein anderer hantierte derart unglücklich an seiner Waffe, dass plötzlich ein Schuss losging und ihm die rechte Hand durchbohrte.

Auch sonst erwiesen sie sich nicht gerade als die Krieger, auf die man hätte zählen können. Jorge, der frühere Student der Jurisprudenz, litt an derart entkräftigendem Durchfall, dass er für gefechtsuntauglich erklärt werden und während den weiteren Kampfeinsätzen jeweils im Camp bleiben musste. Wenig später starb er, weil für ihn keine medizinische Betreuung aufgeboten wurde. Auch andere wären in ihrer Schwäche nicht imstande gewesen, sich zu verteidigen oder sich vor einem Feindesangriff rechtzeitig in Sicherheit zu bringen, denn sie wurden von heftigen Malaria-Attacken geschüttelt und geschwächt. Der Commandante überlegte sich, ob es vielleicht nicht besser wäre, diese ernsthaft Erkrankten demselben Schicksal zuzuführen wie dasjenige von Jaime. In ihrem siechen Zustand wurden sie zur Belastung seiner Einheit, und im Umgang mit der Waffe liessen sie ja schon in gesundem Zustand an Kampfeswillen fehlen. Der Commandante befürchtete, dass sie in einer möglichen Gefangenschaft bei den regulären Truppen unter Zwang und Folter, oder vielleicht sogar freiwillig so viele Geheimnisse ausplauderten, dass sein ganzer Kampfverband dadurch hätte gefährdet werden können. Doch dann obsiegte die Überlegung des Commandante, im Camp für den logistischen Bereich doch noch über etwas Personal verfügen zu müssen, wenn auch nur beschränkt einsetzbar. Es gab Zeiten während der Kampfeinsätzen, wo er froh war um Leute, die sich im Camp um den Munitionsnachschub, um das Essen und um die Bewachung der Anlage kümmerten. Auch die Reaktion Maria Elenas auf eine pauschale Eliminierung der Schwächlinge, wie er die Studenten despektierlich nannte, war unberechenbar. Immerhin war sie jetzt schwanger, und die Aussicht auf Vaterfreuden liessen beim Commandante vorher kaum für möglich gehaltene Gefühle keimen.

Die Studenten jedoch wären schon längst geflohen, hätten sie nicht gewusst, dass ein Fluchtversuch den sicheren Tod bedeutete. Alejo musste als erster daran glauben. Er wurde von hinten erwischt und sofort von tödlichen Schüssen getroffen, als er sich eines Tages von den anderen entfernen wollte. Der Commandante stellte darauf in Aussicht, dass bei einem weiteren Fluchtversuch auch diejenigen, die zurückblieben, allesamt erschossen würden. Merkwürdigerweise stärkte dies den Zusammenhalt unter den Studenten. Sie erkannten sich jetzt als Schicksalsgemeinschaft. Nur als Gruppe würden sie überleben können.

Die Todesgefahr bei der Flucht war das eine, das andere, ich habe es angetönt, waren die Hindernisse beim Wiedereintritt in die zivilen Gesellschaft. Jeder Flüchtling aus dem Camp wäre doch sofort von der Militärpolizei geschnappt, eingesperrt und mit Foltermethoden zum Reden gebracht worden. Jedes Detail würden die Militärs der anderen Seite in Erfahrung bringen wollen: Feuerkraft, Mannstärke, die Position des Camps, die Unterstützung durch die Landbevölkerung, die Strassensperren, die zur Verfügung stehenden Mittel, die Kommando-Struktur, die Kontakte zur Drogenmafia – einfach alles. Und wenn man dann genug gezwitschert hätte, wäre man trotz gegenteiliger Versprechungen doch noch wegen illegalen Waffenbesitzes und Mitgliedschaft einer staatsfeindlichen Vereinigung angeklagt und zum Schluss im Schnellverfahren so lange ins Gefängnis gesteckt worden, bis wieder einmal eine Amnestiewelle die Gefängnisse und Strafkolonien leerte und Kohorten von ehemaligen Guerilleros in den kolumbischen Alltag entliess. Dies allerdings kam höchstens alle vier oder acht Jahre vor, dann nämlich, wenn ein neuer Präsident Kolumbiens sein Amt antrat. Seit Jahrzehnten waren alle neuen Präsidenten darauf bedacht, den seit den 40er Jahren anhaltenden Bürgerkrieg oder die Violencia, wie er dort genannt wird, mit einer Friedensgeste zu beenden. Kurze Zeit später aber flackerten regelmässig die Auseinandersetzung um Land und Leute, Besitz und Befreiung, Vorherrschaft und Kontrolle, wieder auf, und die Auseinandersetzungen mit der Guerilla nahmen ihren Fortgang, einfach nur noch etwas schlimmer als vorher.

Die Situation sah für die Studenten also ziemlich düster aus, hielt ich in meinen handschriftlichen Notizen fest, fand aber nicht die Kraft, diese in meinen Text einzufügen. Die Studenten, notierte ich, befanden sich Hunderte von Kilometer von Guatavita entfernt, welches damals Anlass ihrer Radikalisierung gewesen war, und jetzt wussten sie nicht einmal, ob das Staudamm-Vorhaben umgesetzt wird. Je mehr sie sich in diesem kräftezehrenden Dschungelkrieg verloren, umso stärker wurden sie sich der Sinnlosigkeit ihres Engagements gewahr. Sie waren die ganze Zeit in Stellungskriegen verwickelt, verteidigten und bewachten „befreite“ Gebiete, zogen aber dann weiter und liessen verbrannte Erde zurück. Die Bevölkerung musste sich auf die wechselnden Machthaber einstellen, in diesem dynamischen Patt herrschte allenthalben Misstrauen, Verzweiflung, Elend und Korruption. Alle versuchten sich, so gut es ging, gegenseitig in Schach zu halten. Tatsächlich aber wuchs im Schatten dieser weit von der Hauptstadt entfernten Auseinandersetzungen das Staudamm-Projekt langsam aber stetig heran.

So wenig wie die Krieger im kolumbianischen Dschungel noch einen Sinn in ihrer revolutionären Mission sahen, so wenig sah ich in New York einen Sinn darin, mich noch länger mit diesem verworrenen, kräftezehrenden und nicht enden wollenden Guerilla-Krieg auseinandersetzen zu müssen. Wieviel aufregender präsentierte sich mir doch diese Metropole, die mich allmählich in Situationen brachte, die für mich mit soviel mehr Spannung, Neugier, aber auch Angst durchtränkt waren als alles, was ich zu schildern beabsichtigte und sich erst noch Tausende von Kilometern von hier entfernt abspielte, weit fort dort unten in diesen undurchdringlichen Tropen.

Noch weiter weg entrückte mir die Familie Sanchez, die eigentlichen Helden meiner Geschichte. Ich glaube, das Bemerkenswerte an ihnen wie auch an der ganzen Lokalbevölkerung wäre gewesen, dass sie die angekündigten und sich jetzt anbahnenden Veränderungen schliesslich schicksalsergeben über sich ergehen liessen. Während anfangs die Mobilisierung gegen das Staudammprojekts wegen der Mitwirkung radikaler Studenten noch als bedrohlich eingestuft werden musste und der Bombenanschlag in Bogota  eine unkontrollierbare Eskalation hätte nach sich ziehen können, so wurde die Stimmung allmählich von gespanntem Abwarten und bei einigen sogar von Vorfreude auf die neue Siedlung an den Gestaden des geplanten Sees geprägt. Dass die Umsiedler für ihre neue Behausung zur Kasse gebeten wurden und sich verschulden mussten, provozierte kein Empfinden mehr für die Ungerechtigkeit ihrer Situation. Die Angst vor weiteren Behelligungen und Aktionen liess es klüger erscheinen, schicksalsergeben die Veränderungen anzunehmen. Der Druck der Studenten, sich gegen die Fremdbestimmung zu wehren, endete schliesslich in einer auswegslosen Situation. Selbst Herr und Frau Sanchez, die zu Anfang des Projekts den Unwillen der Einheimischen noch gut zu repräsentieren wussten, versanken wegen ihrer verlorenen Tochter in schwere Melancholie. Die irregeleiteten Studenten und der Dschungel hatten sie ihnen weggeschnappt! Wie lange das schon her ist! Keine Nachricht, nichts. Lebt sie überhaupt noch? – Die Sorge der Eltern um ihre untergetauchte Maria Elena machte die jüngere Tochter Celia Alicia und den Sohn Pablo auf ihre Schwester zuweilen eifersüchtig. Die beiden wurden bei ihrem eigenen Heranwachsen hin und hergerissen zwischen Familienloyalität und Finden eines eigenen Weges, weg von ihrer alles dominierende abwesende Schwester.

Je höher der Staudamm und je fassbarer das neue Dörfchen wurde, um so mehr verstummten also die Vorbehalte dem Projekt gegenüber. Die Einwohner von Guatavita begannen sich zu überlegen, wie man den Exodus aus der alten und den Einzug in die neue Siedlung gestalten könnte und welche Musik ausser der Landeshymne die Dorfkapelle zur Aufführung bringen sollte. Die Musikanten begannen unter der Leitung von Lehrer Sanchez bereits Stücke zu üben. Manchmal musste er aber eine Probe kurz unterbrechen, weil ihm bei Gedanken an Maria Elena Tränen übers Gesicht kollerten. Die Musiker gingen derweil hinaus auf den Platz und rauchten eine Zigarette.

Es sollte also ein Festakt werden in Anwesenheit des Staatspräsidenten. Müsste man ihm da nicht eine Tribüne errichten? Und wer würde für die Kosten aufkommen? Und wer für seine Sicherheit? Dann hatte einer die Idee, eine Umzugsprozession vom alten zum neuen Dörflein durchzuführen, so wie einst Moses mit seinem auserwählten Volk aus Aegypten auszog, doch die Alten im Dorf lehnten diese Idee ab. Zu Fuss den Berg hinauf empfanden sie als zu anstrengend und auf einem Maulesel zu unbequem. Und hätte es denn auf den Wagen, von den paar Kühen im Dorf gezogen, neben dem Hausrat überhaupt noch Sitzgelegenheiten gegeben? Ein anderer schlug den Bau einer Arche vor. Dort hätten alle samt den Hühnern, Kühen, Ziegen, Schafen und Schweinen Platz gefunden. Fast unmerklich hätte sie sich von der steigenden Flut hoch treiben lassen, bis sie die Uferböschung des neue Dörfleins erreichten. Doch auch diese Idee wurde verworfen, weil man sich von den Ingenieuren, die ab und zu das Dörflein aufsuchten und die Einwohner über den Stand des Vorhabens orientierten, erklären lassen musste, dass die Flutung je nach Regenmenge Wochen, ja Monate dauern könnte. Das Leben auf dieser Arche wäre wohl ein bisschen anstrengend und beengend geworden, zumal die meisten im Notfall nicht einmal hätten schwimmen können.

Ja, das alles hätte Eingang finden sollen in meinen Text. Auch der Verbleib von Sanchez’ Sohn Pablo war noch offen. Über ihn kündigte ich ganz zu Anfang vollmundig an, er würde in der fraglichen Geschichte noch eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen. Statt mich aber um diese Story zu kümmern, war ich nach dem Aufstehen und Frühstück zuerst mit dem Bestellen unserer kleinen Wohnung an der 84. Strasse West beschäftigt, legte die Leintücher zusammen, stellte die Matratze hoch und sah mir die Morgensendungen im Fernsehen an. Die Flimmerkiste hatte Steve vom früheren Wohnort mit ins Haus gebracht, so konnte ich mich über die Geschehnisse in Kuwait und im Irak informieren, derweil mein Wohn- und Bettgenosse am Morgen das Haus verliess und tagsüber an Sitzungen irgendwelcher Komitees teilnahm, die sich für die Besserstellung von Minderheiten und der Arbeiterklasse einsetzten.

Vergeblich versuchte ich mich später am Tag auf meinen Text zu konzentrieren. Lieber schrieb ich in mein Tagebuch, was sich so alles in Gegenwart von Steve zutrug. Angesichts meiner gelebten New Yorker-Realitäten kam mir dieses Guatavita reichlich pathetisch vor.

Abends dann, so lese ich in den entsprechenden Aufzeichnungen, entfalteten wir, bis das Geld knapp wurde, ein kulturelles oder soziales Programm. Wir besuchten, Musicals, deren Künstlichkeit und zuckerigen Lieder mir zwar wenig zusagten, bei denen es Steve aber warm ums Herz wurde, was wiederum mich mit einer gewissen Befriedigung erfüllte. Dann kam die Phase, in der ich in Steves Gesellschaft Schweizer Künstlerfreunde besuchen ging, die sich mit einem Stipendium für ein halbes Jahr oder auch für länger in einem der zahlreichen Künstlerateliers von New York aufhielten. Steve pflegte sich über diese verwöhnten Glückspilze zu mokieren und lästerte über deren schlechtes Englisch. Er führte sich unmöglich auf, und nach einigen Malen war ich über sein wachsendes Desinteresse an diesen freundeidgenössischen Begegnungen nicht unglücklich. Er liess mich wissen, dass er von nun an in der 3-Potatos-Bar, oder noch besser, in der VIP-Lounge von Badlands gegenüber auf mich warten würde, bis ich meine Besuche beendet hätte.

Die Vorstellung, was alles in dieser Wartezeit mit ihm geschehen würde, erregte und erschreckte mich gleichermassen. Gewöhnlich, so fand ich mit der Zeit heraus, ging er direkt zum Badlands hinüber und erbettelte sich dort ein Briefchen Kokain und liess sich dafür auf der Toilette von einem alten stinkigen Knacker vögeln. Wenn wir uns später am Abend dann trafen, war ich ziemlich angetrunken und er völlig high. Auf dem Heimweg im Taxi stritten wir uns heftig, und sobald wir die 84. Strasse erreichten und hinter uns die Tür ins Schloss fallen liessen, kippte dieses Gezänk um in hemmungslose Leidenschaft. Er riss mir die Kleider vom Leib und schnüffelte gierig an meinem dreckigen Hintern. Ja, er wies mich an, von nun an die Intimpflege nicht mehr so genau zu nehmen. Er wolle von mir schliesslich auch etwas haben. Gleichzeitig begleitete er diese Aktivitäten mit abfälligen Bemerkungen über die rassistischen Stinkschweizer, was mich wiederum auf die Palme brachte. Dann wollte er aber auch noch vom Schweizer Weisswein kosten und hiess mich in seinen Mund pinkeln. Ich tat es in der Meinung, ihn damit bestrafen zu können. Er aber schien auf diese Flüssigkeit gerade gewartet zu haben.

Ich fand sein Begehren widerlich, aber noch widerlicher kam ich mir selber vor, mich überhaupt darauf einzulassen. Plötzlich war ich Gefangener einer abscheulichen Faszination an dieser Schamlosigkeit und Enthemmtheit. Sie waren für mich eine nie für möglich gehaltene Entdeckung. Da hatte ein attraktiver, junger Mann Lust auf meine natürlichen Ausdünstungen und Exkremente, von denen ich mich im Normalfall mit Ekel hinter verschlossener Türe zu entledigen pflegte, darauf bedacht, dass der damit verbundene Geruch baldmöglichst abziehen möge. Da war plötzlich einer, der diese Türe zum Intimen geöffnet haben wollte ohne je zu verlangen, dass ich mich mit derselben Lust mit meinen oder seinen Ausscheidungen gleichermassen beschäftigen müsse. Sobald ich mich allerdings auf sein perverses Verlangen einliess, schalt er mich Heuchler. Ich sei so falsch wie alle anderen Arschlöcher auch. Vorne herum würden sie als Saubermänner das Bild bürgerlicher Tugenden vermitteln, und hinten herum herrsche die nie ausgesprochene aber brennende Lust, auf den schwülstigen Lippen eines besklavten Negerleins zu reiten.

Ich sei ein verdammter Rassist wie alle anderen auch, war dann das Nächste, was er feststellen wollte. Ich nahm seine Bezichtigungen insofern ernst, als ich mir in meinem eigenen Alkoholrausch seine Beschimpfungen nicht bieten liess und wütend reagierte. Ich versohlte ihn nach Leibeskräften. Meine Hände klatschten auf seinen Po und auf seine Wangen so heftig nieder, dass die Schläge ihn schmerzen mussten, man hätte sie bei geöffneten Fester in der Nachbarschaft weitherum hören können. Er aber verlangte brüllend nach noch wuchtigeren Schlägen als Strafe für seine unziemlichen Bemerkungen. Sie mussten ihm so richtig weh tun, um ihn zufriedenzustellen. Eines Nachts kramte er aus seinem Gepäck Brustwarzen-Klemmen an einer Kette hervor, setzte sie bei sich selber an und hiess mich heftig daran ziehen und ihn befehlsmässig durch unsere kleine Einzimmerwohnung führen. Dann begann er, hündisch meine Füsse zu lecken. Von nun an vergrösserte sich allabendlich das Arsenal seiner Hilfsmittel und die Bandbreite seiner Aktivitäten und lud zu immer weiteren und noch abenteuerlichen Variationen intimer Unterwerfungsrituale ein. Mir wurde dabei immer banger. Die Falle war mittlerweise so festgezurrt, dass ich beim besten Willen keinen Weg mehr hinaus wusste. Ich bekam Angst und wellenartig überzog mich Panik. Ich stürzte in seelische Abgründe und fragte mich, wo das noch enden wird. Ich war zu diesem Zeitpunkt immerhin 41 Jahre alt, ein bestandener Mann, kein Jüngling mehr, dem man diese Dummheit allenfalls noch als Übermut, Abenteuerlust oder Naivität hätte verzeihen können!

An klaren Morgen beschäftigte mich die Frage, wie es kommt, dass sich ein so scharfsinniger, intelligenter und sonst so wohlerzogener Mann abends in solch ein Biest verwandeln konnte, fähig, mich zu Aktionen zu verleiten, die ich nie zuvor für mich als erstrebenswert und attraktiv in Betracht gezogen hatte. Durch Steve lernte ich mich selber in einer Weise kennen, die auf meine Selbsteinschätzung ein ziemlich schiefes Licht zu werfen und einen erschütternden Eindruck zu hinterlassen begann. Dies alles hielt ich in meinem Tagebuch fest, während mir zu Guatavita nichts mehr in den Sinn kommen wollte, das wert gewesen wäre, aufgeschrieben zu werden.

Eines Abends gingen wir zusammen in eine von Steves angesagten Bars, unvermeidlicherweise drang „From a Distance“ aus den Lautsprecherboxen, und wir bestellten unsere Drinks. Schon bald gesellte sich ein ziemlich ungepflegter Puertoricaner zu uns, einer von Steves Spezi. Zuerst ging es um die Frage, ob wir die Nacht eventuell zu dritt verbringen könnten, was Steve sogleich in besondere Vorfreude zu versetzen schien. Als ich aber jegliche Begeisterung für diesen Vorschlag vermissen liess, offerierte der Puertoricaner als Alternative zwei Päckchen Kokain, ungestreckt, direkt aus Kolumbien. So musste ich mich in dieser schmuddeligen Bar an meinen langsam zum Erliegen kommenden Text erinnern lassen. Mein Guatavita versank allmählich in den Fluten des New Yorker Sumpfes, und der Schauplatz meiner Geschichte verwandelte sich allmählich in weisses Pulver. Morgens mochte ich kaum mehr aufstehen, und abends ging es jeweils bis in den Morgen hinein. Wenigstens drängte kein Hunger, die Euphorie eines leeren Magens trug zur Ausnahmesituation bei. Weitere Besuche bei Schweizer Freunden unterliess ich mittlerweile, der Gang zur Bar fand jetzt ohne Umwege statt. Die Manuskriptblätter zu Hause setzten Staub an, und des Wetters wurde ich nur noch gewahr, wenn der viele Schnee in New Yorks Strassen den Ausgang verunmöglichten. Dann sassen wir mürrisch zu Hause und fauchten uns an. Steve wurde nach einer Weile so unruhig, dass er verkündete, lieber im Schneegestöber zu erfrieren als noch eine Minute länger mit mir an dieser 84. Strasse zu verbringen.

Geh doch, meinte ich und war stolz auf meine Aufforderung. Ich versprach mir von seinem Erfrierungstod eine geordnete Rückkehr zur Schilderung meines Guerilla-Krieges und des Verbleibs meiner verwöhnten Stadtkinder aus Bogota, die ein Überleben im Dschungel ohne Zahnpasta auch erst hatten erlernen müssen. Vor allem wollte ich der Familie Sanchez das noch notwendige Leben einhauchen, sie blieben als Hauptpersonen für mich noch viel zu blass.

In seltenen Fällen und vermischt mit immer schlechterem Gewissen erreichten mich noch Gedankensplitter zu Guatavita: Staudamm gebaut. Einwohner bereiten sich auf den Umzug vor. Die Architektur des neuen Dorfes spielt mit altkolumbianischen und kolonialen Baustilen. Ist gleichwohl modern und bezieht neueste Erkenntnisse des kommunalen Wohnungsbau mit ein. Für die Gestaltung des Dorfplatze zeichnen ein paar schwedische Architekten verantwortlich. Sie hatten ein neues Guatavita vor Augen, das für Städter ein lohnenswertes Ausflugsziel sein soll, eine Mustersiedlung für neue kolumbianische Lebensweise sozusagen, von der Hauptstadt her leicht erreichbar, mit touristischem Potential. – Ich aber befand mich in einem Land, das sich anschickte, um reiche Ölfelder in fremden Landen Krieg zu führen, und ich focht meinen eigenen Krieg mit mir selber aus, der mir bereits nach wenigen Kampftagen eine schmerzliche und nachhaltige Niederlage zuzufügen drohte.

Weihnachten kündigten sich an, und wir gingen die festlich geschmückten Schaufenster an der 5th Avenue anschauen, bevor wir unsere Schritte ins Village lenkten und uns ums weisse Pulver kümmerten. Anstelle eines Weihnachtsbaum waren unsere Nasen mit Schnee bedeckt, während Bette Midler aus jeder Jukebox sang, wie aus der Distanz die schneebedeckten Berge weiss scheinen würden. Für die Silvesternacht hatten wir einen Vierertisch in einem angesagten Restaurant reserviert, Steve lud zwei seiner Spezis ein, auf meine Kosten natürlich. Vom Wirt bekamen wir Hütchen ausgehändigt, und mit Papierschlangen und Lärminstrumenten feierten wir die Ankunft des neuen Jahres, an den Rest des Abends vermag ich mich nicht mehr erinnern.

Bald danach, am 15. Januar nämlich, fingen die Amerikaner an, irakische Stellungen zu bombardieren. Man sah im Fernsehen schummrig-blaue Bewegtbilder mit einem Fadenkreuz in der Mitte, wo jeweils nach wenigen Sekunden eine Art Blase platzte, die dem Zuschauer veranschaulichte, dass jetzt die Bombe ihr Ziel erreicht hat. Ein anderes graublau gehaltenes Fernseh-Tableau, das sich mir in den darauf folgenden Wochen einprägen sollte, waren die Fliegerabwehr-Geschosse der Iraker, die den Nachthimmel über Bagdad einer Perlenkette gleich mit weissen Pünktchen erhellten.

In einem lichten Anflug von zärtlichen Gefühlen beschloss ich, ohne es aber zu Papier zu bringen, dass Maria Elena noch ein Kind gebären soll. Der stolze Commandante würde behaupten, es sei von ihm. Der richtige Vater aber, Jaime, war längst schon tot. Ich malte mir aus, wie sich das ganze Camp zärtlich um das Frischgeborene kümmern würde. Ein Bub sollte es sein und getauft, von wem auch bloss, auf den Namen Ruben. Sowohl der Vater des Commandante als auch der Vater von Maria Helena hiessen so, welch ein Zufall! Für die Geburtshilfe und Pflege während des Kindbetts wäre unter Waffengewalt und Drohungen eine Krankenschwester aus dem nahen Ambulatoriums gekidnapped und ins Lager geholt worden. In unbeachteten Augenblicken hätte die junge Mutter die Krankenschwester wissen lassen, unter welch fürchterlichen Umständen sie lebte und mit was für einem Tyrannen sie Zelt und Bett teilen musste. Sie bat die Krankenschwester, der Familie eine Botschaft, ein Lebenszeichen zukommen zu lassen. Aber vorsichtig, bitte.

Haben die Sanchez je die geheime Nachricht bekommen? Durfte die Krankenschwester das Camp nach verrichteten Diensten überhaupt wieder verlassen? – Ich war unschlüssig und bin es immer noch. Denn hier begann sich Guatavita vollständig aufzulösen, und für das Ende der Geschichte fehlten mir die Worte gänzlich, sie fehlen mir noch heute, zwanzig Jahre später.

So kam meine Geschichte vollends zum Erliegen, merkwürdigerweise zum genau gleichen Zeitpunkt, wo sich auch Steves Geschichte dem Ende zu neigte. Von einem Augenblick auf den anderen war er nämlich ausgezogen. Es war kein geordneter, vorangekündigter Rückzug, kein vorausgegangener Streit oder gar eine Übereinkunft, ein Gentleman’s Agreement sozusagen. Ich hörte eines Tages lediglich eine telefonische Mitteilung auf dem Beantworter, als ich von meinen paar Einkäufen und einem Umweg über eine Buchhandlung in unsere Behausung an der 84. Strasse zurückkam und entdeckte, dass Steves Sachen verschwunden waren. Nur noch ein paar Küchentücher und Frottéwäsche lagen herum, später entdeckte ich noch eine Socke von ihm in einer Ecke liegen. Steve liess mich auf dem Beantworter wissen, dass er sich krank fühle und nicht möchte, dass ich auch noch krank würde. Deshalb sei er in die Jugendherberge, ins YMCA, umgezogen. Wenige Stunden später war ich bei ihm und brachte Suppe vom Chinesen mit. Wie ein Häufchen Elend krümmte er sich im Bett, hustete und klagte über Durchfall, Schweisszustände und Kopfweh. Dann gestand er mir, er sei schon seit geraumer Zeit an AIDS erkrankt, jetzt gehe es bei ihm nur noch abwärts. Der Arzt, den er aufsucht hatte, hätte ihm Tabletten und Ruhe verschrieben und ihn gemahnt, von mir zu lassen.

Nun kippte alles. Gibt es so etwas wie eine Angstbeschleunigung? Zur Angst, mich in dieser Stadt und in dieser verrückten Gesellschaft von Steve komplett zu verlieren, zur Angst, sowohl von ihm als auch von Drogen vollends abhängig zu werden, und zur Angst, mit diesem Guatavita-Vorhaben endgültig Schiffbruch zu erleiden, gesellte sich nun die Angst vor einer tödlichen Krankheit, die hautnah an mich herangetragen wurde, und mit der ich sozusagen Abend für Abend spielte wie andere Domino oder Eile mit Weile. Es wurde mir so schwindlig, dass ich Steve über dessen Verhalten in den letzten paar Wochen gar keine Vorwürfe mehr zu machen imstande war. Ich spürte grenzenlose Ohnmacht und eine gähnendleere Magengrube, in welcher es aber wie wild arbeitete. Steve wollte mir etwas Suppe zum Kosten geben, er selber verspürte keinen Hunger, doch bereits der Anblick der Suppenbox verursachte mir Übelkeit. Sprachlos verliess ich den Raum, eilte die Treppe hinunter, immerhin zwölf Stockwerke tief, trat auf die Strasse, atmete die Luft ein, schritt ziellos ein paar Blocks entlang und lenkte dann meine Schritte in zügigem Tempo zu Badlands, wo ich, eine halbe Stunde später, einen Drink bestellte und mir von diesem stinkigen Puertoricaner ein Briefchen Cokes geben liess. Darauf verflüchtigte sich die Panik ein bisschen, den Rest des Briefchens brachte ich zu Steve ins YMCA. Später am Abend fuhr ich mit der U-Bahn nach Hause, und wie in Trance schob ich all diese Manuskript-Blätter und Notizen, die sich mit Guatavita beschäftigten, ungeordnet in eine Plastiktüte und machte so reinen Tisch.

Mir verblieben noch zehn Tage bis zum geplanten Heimflug, zehn Tage, um mich mit dem Schock anzufreunden, zehn Tage, um mich von diesem fürchterlichen Typ zu verabschieden und zu schauen, dass er mir nicht grad unter meinen Händen wegstirbt, zehn Tag noch für die Erfindung einer Entschuldigung, weshalb ich mit meinem Manuskript nicht fertig geworden bin.

Guatavita: die Geschichte dazu fiel mir ein, als ich als junger Mann diesem neuen Guatavita selber einen Besuch abgestattet hatte. Das schmucke Dörfchen an der Lagune gehörte zum Ausflugs-Programm bürgerlicher Bogotaner. Sie fuhren sonntags mit Autos oder Bussen dort hinaus, machten eine Bootsfahrt auf dem See und genehmigten sich auf dem Rückweg ein Crema con fresas, also Erdbeeren in Schlagrahm aus der Molkerei Alpina von Sopo. Die Einwohner des Dörfchens schienen mir dabei keinen unglücklichen Eindruck zu machen. Sie boten Souvenirs feil und unterhielten sich angeregt und freundlich mit all den Besuchern, die ihre Autos etwas ausserhalb auf einem gebührenpflichtigen Platz parken mussten.

Mir wäre es in meinem abgebrochenen Text noch ein Anliegen gewesen, dass die Studenten, sollten sie nicht schon vorher durch Strafen, Gefechte, Krankheiten oder Unfälle dahingerafft worden sein, eines Tages im neuen Guatavita auftauchen würden. Ich hätte ihnen die Frage gestellt, ob es sich denn für sie gelohnt hat, ihr Leben für ein solches Resultat aufs Spiel zu setzen. Wie würden sie nur den Anblick dieses gefälligen Ausflugsziels kommentieren? Mit Alles nur Fassade? oder mit Wofür haben wir denn überhaupt gekämpft? – Ich meinte, mich gut in ihre Situation hineinfühlen zu können, in diese Leere, in diese Frage nach dem Sinn, die sich schon rein körperlich in der Magengrube einen Ausdruck bahnt, in dieses kaum auszuhaltende Eingeständnis, die besten Jahre seines eigenen Lebens in absoluter Wirkungslosigkeit verbracht zu haben, das nur dann noch eventuell einen Sinn bekommen würde, wenn man darüber wenigstens ein Buch übers Leben schreiben würde voller Einsicht, voller Demut und aus der Distanz zum selber Erlebten.

Ich hoffe einzig, die Sanchez hätten nach all dem erlittenen Unglück, nach all den Ungerechtigkeiten, Entbehrungen und schwer zu akzeptierenden Umständen ihre Tochter Maria Elena mit deren Kind Ruben in die Arme schliessen können, und Pablo, deren Sohn, dessen Pickel sich in der Zwischenzeit einem ansehnlichen, ja hübschen Gesicht gewichen wären, hätte die von mir angekündigte und für ihn vorgesehene Heldentat noch begangen, worin sie auch immer bestehen mochte. Die jüngere Tochter Celia Alicia jedoch starb, so habe ich es vorgesehen, noch vor dem Umzug ins neue Dorf an Leukämie, bis zuletzt liebevoll umsorgt von Familie und Nachbarn.

Um in meinen restlichen Tagen in New York meinem neuerlichen Alleinsein, meiner von Enttäuschung geprägten Leere und meiner bodenlosen Angst zu entfliehen, mietete ich an einem üblen Schneetag ein Auto und fuhr damit ganz Long Island hinauf, bis ich Stunden später an der äussersten Spitze Leuchtturm und Strand von Montauk erreichte. Die Lektüre des gleichnamigen Buches von Max Frisch hatte mir Jahre zuvor grossen Eindruck gemacht. Ich wollte den Schauplatz der Geschichte persönlich in Augenschein nehmen und damit von meinem eigenen Versagen ablenken. Doch es war so kalt und der Wind blies so heftig, dass ich unter dem Leuchtturm bei laufendem Motor im Auto sitzen blieb und meinen Blick nur schnell über die von Schneegestöber geblendeten Dünen warf. Das Meer hörte ich zwar rauschen, sehen konnte ich es nicht. Fünf Minuten später, es nachtete schon langsam ein, trat ich auf der eisigen Fahrbahn den Rückweg an.

Spät abends, wieder in der Stadt, brachte ich vom Chinesen nochmals Nudeln ins YMCA, doch es hiess, Steve sei schon wieder ausgezogen. Und so gesellte sich noch eine weitere Angst zu all den anderen Ängsten hinzu. Hatte sich Steve ein Leid angetan? Wo war er? Ist er womöglich in einer der Bars im Village gelandet? Oder wartete er vor meiner Tür an der 84. Strasse, wütend, dass ich ihn nicht hereinlasse?

Steve blieb unauffindbar. Ich bereitete mich schon auf ein peinliches Verhör bei der Polizei vor, bei welchem ich mein Verhältnis zum Vermissten hätte preisgeben müssen oder, als Variante, bei welchem es um die Identifikation seiner Leiche gegangen wäre. Steve blieb spurlos verschwunden, und ich begann mich schon zu fragen, was ich mit seinem bei mir zurück gelassenen Fernsehapparat, mit seinen Handtüchern und Kissenbezügen mache, wenn ich die Wohnung säuberlich geräumt habe und den Schlüssel dem senegalesischen Goldhändler zurückbringen muss.

Es gehört zu den Verwirrungen jener Tage, dass ich mich nicht mehr erinnere, unter welchen Umständen Steve plötzlich doch wieder auftauchte. Irgendwie hatte ich mich mit dem tragischen Ende dieses so liebenswerten wie auch gefährlichen Menschen schon abgefunden, so dass sein neuerliches Erscheinen bei mir weder Erleichterung noch Wut auslöste sondern vor allem blosse Erstarrung. Ich unterliess es ihn zu fragen, wo er sich denn die ganze Zeit aufgehalten habe. Eine wahrheitsgetreue Antwort hätte ich von ihm unter diesen Umständen wohl kaum erwarten können. Jede Art von Antwort hätte mich nur irritiert und das leere Gefühl in der Magengrube verstärkt. Er sah schwach und elend aus, doch ich blieb stumm und antwortete auch nicht auf seine Frage, ob ich mich denn nicht freue, ihn wieder zu sehen. Mein Gepäck stand bereits auf dem Flur, zur Abreise bereit. Für ihn bestellte ich ein Taxi, damit er den Fernsehapparat und die restliche Wäsche aus der 84. Strasse abziehen konnte, wohin auch immer er damit fahren mochte. Er verliess mich mit mir unbekanntem Ziel, ich gab ihm noch 50 Dollars mit auf den Weg.

Kurze Zeit später fuhr ich zum Flughafen und checkte ein für meinen Flug zurück in die Schweiz. Im Flugzeug verteilten sie Schweizer Zeitungen vom Vortag, doch ich schaute lieber den Startvorbereitungen zu. Als das Flugzeug abhob, glänzte Manhattan im Schein der untergehenden Sonne golden. Die grossen Wolkenkratzer wurden immer kleiner, mit jedem Höhenmeter wuchs die Distanz, die in mir eine erlösende Wirkung erzeugten: nur weg von hier, weit weg, von wo aus die einzelnen Strassen und Häuser nicht mehr erkennbar sind und alles nur noch blau und grün oder meinetwegen golden scheint und wo sich der Adler zu Hause fühlt, weit oben hier, mit Distanz zu allem…

© by Nikolaus Wyss

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